Jurybericht

Stefan Haller

Geburtsjahr, Ort
1972, Zürich
Fachbereich
Literatur

Raphaels Körper verändert sich, das fällt allen auf. Er wird dicker, verliert Haare, irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Sein Partner, seine Freunde, sein Arzt: alle geben gute (oder zumindest gut gemeinte) Ratschläge, was Raphael zunehmend verunsichert und verletzt. Als sich herausstellt, dass eine Krankheit hinter den Veränderungen steckt, scheint sich alles auf ein gutes Ende zuzubewegen. Oder doch nicht? Stefan Haller protokolliert in seiner Graphic Novel die Geschichte einer Verunsicherung. Das Buch stellt die Frage, was als «normal» akzeptiert wird und wie wir mit Phänomenen umgehen, die von Normen abweichen. Ein Clou des Projekts besteht darin, dass es eben nicht Raphaels Homosexualität ist, die als abweichend wahrgenommen wird: Dass er schwul ist und mit seinem Partner zusammenlebt, ist für alle in Ordnung. Aber auch nach der schwulen Emanzipation bleibt das Leben kompliziert. Stefan Hallers Zeichnungen sind im positiven Sinne naiv und vielleicht gerade deshalb so ausdrucksstark. Die Bilder und Texte, die der Jury vorlagen, machen neugierig auf ein facettenreiches und im besten Sinne aufklärerisches Buch.

Thorsten Dönges